Tips und Tricks 

AUSTINA OF HOF HUSMANN with Calf AUSTINA OF GOTS..

Mutterkuh mit neugeborenen Kalb noch ohne Ohrmarke

Wenn der Start ins Leben schwer wird

Da wir es beim Highland-Cattle mit einer robusten Rinderrasse zu tun haben, sollte ein schwerer Start für Kälber die Ausnahme sein. Dennoch gibt es viele Gründe, die auch für Highland-Kälber den Start ins Leben schwer machen. Im Folgenden möchte ich einige Erfahrungen aus fast 15 Jahren Highland-Zucht mit meist über 30 Mutterkühen weitergeben und Vorraussetzungen nennen, damit diese schwierige Phase eine Rinderlebens von Tier und Mensch gut gemeistert werden kann. Wir haben vieles über Erfahrung gelernt und oft auch aus Fehlern, die wir gemacht haben und bestimmt auch noch machen werden.  

Voraussetzung für einen guten Start ins Leben für Highland-Kälber ist eine gute Mutterkuh mit  guten Muttereigenschaften. Vieles mag hier genetisch vorbestimmt sein.  Dennoch lernt das Muttertier auch aus eigenen Erfahrungen. Es gilt zwischen körperlichen und verhaltensmäßigen Vorraussetzungen zu unterscheiden. Körperlich braucht die Mutterkuh zuallererst einen weites Becken und weite Geburtswege. Das Becken sollte leicht abfallen, bei geradem oder leicht geschwungenem Rücken, dennoch darf die Schwanzwurzel etwas erhaben sein und damit zu einem weiteren Geburtsweg beitragen. Kälber sollten klein zur Welt kommen, meist sind sie dann vitaler in den ersten Lebenstagen und wachsen schneller. Grundlage für Kleinkalbigkeit ist neben der genetischen Veranlagung der Kuh, auch eine angemessene Futterversorgung in der Trächtigkeit. Eine gute Zuchtkondition ist anzustreben. Auf so genannte Schaukondition sollte bei unseren Highland´s bewusst auch auf Schauen verzichtet werden. Denn auch die Fruchtbarkeit sinkt bei zu fetten Kühen und Färsen erheblich. Kopf und Beckengröße der Kälber sind für eine schnelle Geburt wichtig. Gerade beim Highland ist meines Erachtens hier wieder verstärkt auf kleinere und elegantere Köpfe in der Zucht zu achten. Auch sollte das Horn nicht zu stark und kräftig sein. Alte Bilder aus Schottland zeigen solche Tiere. An der Kleinkalbigkeit in der Herde hat der eingesetzte Bulle den größten Anteil. Bei der Auswahl des Zuchtbullen dürfen nicht nur Größe und Gewicht und gute Tageszunahmen die entscheidenden Kriterien sein, sondern vor allem die Kleinkalbigkeit  und lange gute Lebensleistungenes innerhalb der Vater- und Mutterlinien.  Vater- und Mutterlinien, bei denen gehäuft Schwierigkeiten auftreten, sind nicht für die Zucht geeignet. Auch wenn die Tiere noch so schön sind! 

Wichtig für eine gute Kälberaufzucht ist darüber hinaus ein gesundes eng anliegendes Euter mit nicht zu großen Zitzen. In der Zucht sollte deshalb auch bei Mutterkühen auf die Euterbeschaffenheit und die Eutergesundheit geachtet werden. Auch hier geht es nicht zuallererst um Perfektion, sondern um nachhaltige Funktionalität. 

 

Eiteag Ruadh 3rd with calf Eiteag Ruadh 5th

Noch keine Stunde auf der Welt...

Muttereigenschaften:

Folgende beispielhafte Beschreibung des Verhaltens einer Mutterkuh soll helfen, die Muttereigenschaften aufzuzeigen und zu bewerten.  Eine gute Mutterkuh bereitet sich auf die Geburt vor. Sie ist zurückhaltend bei Auseinandersetzungen.

Sie sucht einige Stunden - oft schon Tage vorher - sich ein ruhiges sicheres abgeschiedenes Plätzchen für die Geburt. Eine gute Mutterkuh will mit ihrem Kalb nach der Geburt allein sein. Dies ist eine gute Vorraussetzung dafür, dass die Prägung von Kuh und Kalb in den ersten Lebensstunden gelingt und Kuh und Kalb eine Bindung eingehen, die für das Kalb überlebensnotwendig ist. Ruhe ist auch Voraussetzung für kräftige und gute Geburtswehen. Gute Wehen sind eine Voraussetzung für eine schnelle Geburt.  Eine gute Mutterkuh leckt ihr Kalb nach der Geburt intensiv und sorgfältig trocken. Für einen kurzen Moment schwankt fast jede Kuh zwischen Aggression (durch den Geburtsschmerz hervorgerufen) und Zuneigung. So können die ersten Rufe der Mutter durchaus sehr energisch, ja aggressiv, sein. Aber schnell verändert sich das Rufen und wird zum gleichmäßigen „Kuhschnurren“. Dabei wird das Kalb geleckt und durch schubsen zum Aufstehen animiert, womit aber auch sein Gleichgewichtssinn ausgetestet und geschult.  Es kann hier auch schon mal vorkommen, dass ein Horn zum Aufrichten zu Hilfe genommen wird, meist aber ohne Erfolg. Wenn das Kalb sicher steht, stellt sich die Kuh umgekehrt parallel zum Kalb und leckt das Kalb im Analbereich, um dem Kalb einen guten Zugang zum Euter zu ermöglichen und den Saugreflex anzuregen.  Auch wird das Kalb durch dieses Lecken animiert das Kälberpech (Erste Darmfüllung nach der Geburt ist schwarz) abzusetzen. Wenn das Kalb das Euter gefunden hat und mit dem Saugen beginnt, führt dies zu einer Hormon Ausschüttung in der Kuh, die zu einem Zusammenziehen der Gebärmutter führt, Wehen verursacht und zum Abgehen der Nachgeburt führt. Die Kuh frisst dann meist vollständig die Nachgeburt auf. Dies setzt durch die schwierige Verdauung des Mutterkuchens auch die Milchproduktion in den ersten Tagen herab und beugt somit entzündeten Eutern vor.

Durch das ständige Rufen der Kuh nach dem Kalb ist jetzt meist schon die Herde unterwegs, um das Kalb zu begrüßen. Erfahrene Kühe vermeiden hier unnötige Kämpfe und lassen sich aber auch nicht von ihrem Kalb abdrängen. Bis zu 3 Tage lang kümmert sich die Kuh nun außerhalb der Herde um das Kalb, legt es an einem sicheren Ort ab, beobachtet es, selbst wenn sie mit anderen Kühen weidet, lenkt schlau potenzielle Feinde vom Liegeplatz des Kalbes ab, in dem sie geschickt genau in die andere Richtung ruft und rennt, um somit nicht den Liegeplatz des Kalbes zu verraten. Sie lässt keinen Fremden oder Feind an das Kalb heran und ist bereit ihr Kalb zu verteidigen. Dies zeigt die Kuh durch Schwenken der Hörner an. Nach ein paar Tagen verliert sich diese besondere Verteidigungshaltung, meist dann wenn das Kalb in der Herde integriert ist.

Das Wissen um das Verhalten von Mutterkühen hilft bei richtigem Verhalten und Einscheidungen des Menschen im Umgang mit Mutterkühen und ihren Kälbern:

•    Ruhe vor der Geburt ist für die Mutterkuh entscheidend. Keine unnötigen Treibereien, keine neue Umgebung, keine neue Herdenzusammenstellung und keine engen Räume bei Weidegang und Fütterung. Mit Ruhe und Gelassenheit geht alles besser für den Menschen und die Kuh.

•    Weiden, auf denen Kühe kalben, sollten groß genug sein und Rückzugsmöglichkeiten für eine separate Kalbung der Kuh von der Herde bieten. Hecken sind z.B. ideal. Auch hohes Gras und Bewuchs biete gute Ablagemöglichkeiten für das Kalb. Ideal ist es mitten im Koppelbereich solche Rückzugsräume zu schaffen, da am Rand der Koppel Störungen von Außen wahrscheinlicher sind.

•    Die Geburtsphase sollte aus der Entfernung beobachten werden. Einsetzende Geburtswehen zeigen sich durch Unruhe, kreisförmiges Suchen, später aufstehen und niederlegen in immer kürzeren Abständen. Sollte die Kuh jedoch ihren Geburtsplatz ohne äußere Störung verlassen und unruhig umhergehen und die Zeit sich nach starken Geburtswehen hinziehen (ca. über 2 Stunden) ist sofort zu handeln und mit Geburtshilfe zu reagieren. Mit einiger Erfahrung lässt sich hier viel selbst machen. Doch sollten Anfänger schnell den Tierarzt hinzuziehen. Einige Fanggitter an einer Rundballenraufe bilden einen idealen „Kreissaal“.  Ein trockener, sauberer und vielleicht mit frischem Stroh eingestreuter Untergrund in diesem Fangraum ist für Kuh, Kalb und Mensch gut und sollte schon bereit sein.

•    Die Prägephase zwischen Kuh und Kalb sollte auch aus der Entfernung beobachten werden. Als Grundsatz gilt auch hier Zeit lassen und nicht zu schnell eingreifen. Kleinere Aggressionen zwischen Kuh und Kalb zu Beginn der Prägephase sind zu tolerieren und keineswegs gleich so zu deuten, dass die Kuh das Kalb nicht annimmt. Nach ca. 2 Stunden sollte das Kalb am Euter der Kuh saugen. Geschieht dies nicht, spart schnelle Hilfe viel Zeit. Der Saugreflex ist beim Kalb nur in den ersten Stunden sehr ausgeprägt.

Jeder, der jetzt eingreift, oder Kuh und Kalb zu nahe kommt, sollte auch bei sonst zahmen Kühen mit einem Angriff  rechnen. Sicherheit geht hier erst einmal vor!  Tiere, die regelmäßig mit einem Halfterstrick fixiert werden, z.B. bei tierärztlichen Untersuchungen, können mit einem Halfterstrick besser als mit einem Stock auf Abstand gehalten werden (Halfter deutlich vor das Sichtfeld der Kuh halten. Die Folge ist, dass die Kuh meist Abstand hält um nicht eingefangen zu werden.). Auch das Treiben von Kuh und Kalb durch zwei Personen bis zu den Fanggittern mit einem langen Seil und genügend Sicherheitsabstand hat sich bei uns bewährt.

•    Hat die Geburt zu lange gedauert, kann das Kalb Fruchtwasser in der Lunge haben und deshalb Schwierigkeiten beim Saugen und Finden des Euters haben. Diese Kälber halten meistens den Kopf beim Suchen gestreckt nach oben und suchen in den Haaren der Flanke oder an der Scheide und nehmen Fruchtschleim oder bei Regen Wasser vom Fell auf. Ich bezeichne sie als „Mondkälber“, weil sie nicht zum Saugen am richtigen Ort kommen, sondern in den Mond gucken. Fast immer sind es besonders große Kälber.

•    Um Kühe bei missglückter Prägung und Kälber bei Euterfindungsproblemen zu unterstützen, ist oben genannter Fangbereich zwingend notwendig. Die Kuh wird kurz mit Halfter fixiert. Wenn notwendig wird ein Bauchgurt (Strick) in der Beuge der Hinterhand angelegt, damit sie am Schlagen nach Mensch und Kalb gehindert wird.

Generell gilt, so wenig wie möglich menschliche Hilfe, um die selbständige Prägung und das Saugen des Kalbens zu fördern. Doch auch so viel Hilfe wie notwendig, damit Prägung und selbständiges Saugen am Euter gelingt. Der Mensch sollte den oben beschriebenen natürlichen Ablauf unterstützen und in seinem Verhalten imitieren.

Eine Nuckelflasche sollte für solche Fälle immer bereit sein. Etwas Milch wird in die Nuckelflasche gemolken und am Körper warm gehalten.

Bei „Mondkälbern“ haben sich folgende Vorgehensweisen bewährt:  Dem Kalb am Ort, wo es sucht die Nuckelflasche oder mit Milch benetzten Finger anbieten. Beginnt das Kalb zu saugen, es saugend an das Euter führen und Finger oder Nuckel mit Euterzitze tauschen.

Gelingt dies nicht: Sich das Kalb in der Hocke auf das Knie legen (Hose muss sauber sein, um Nabelinfektionen zu vermeiden!) und so das Stehen simulieren aber auch genügend Kontrolle über das Kalb ausüben. Kopf möglichst gestreckt an Euter führen. Mit dem Daumen Maul öffnen und Milch hineinspritzen oder Euterzitze mit Milch einreiben. Zitze ins Maul einführen. Geduld haben.

Wenn das Kalb dennoch verkrampft, aber die Kuh einigermaßen ruhig ist: Kalb unter die Kuh legen mit überstreckten Kopf an milchbenetzte Zitze führen. Der Vorteil dieser Haltung ist, dass das Kalb mit überstrecktem Kopf besser atmen kann und deshalb auch besser zum Saugen kommt.

Wenn auch dies nicht zum Erfolg führt, kann man das Kalb ganz flach auf den Boden legen mit überstreckten Kopf milchbenetzten Finger oder Nuckel einführen. Bei absoluter Entspannung des Kalbes setzt der Saugreflex wieder ein. Vorsicht bei zu großen Löchern in Nuckeln. Es wird Milch zum Anregen des Saugreflexes benötigt, aber nicht zuviel. Ich habe mir deshalb angewöhnt Kälber nicht mehr über den Nuckel zum Saugen zu bewegen, sondern nur noch über den milchbenetzten Finger. Die Nuckelöffnung ist dann etwas größer, damit schneller Milch zum Benetzen des Fingers vorhanden ist. Aber Vorsicht: Die Milch könnte dann auch noch in die Lungen des Kalbes geraten, wenn zuviel Milch zugeführt wird.

Wenn eine zweite Person hilft, kann zusätzlich zum bisher Beschriebenen der Saugreflex des Kalbes durch Streicheln im Analbereich stimuliert werden und das Kalb zum Absetzen des Kälberpeches angeregt werden. Hat auch dies bei aller Geduld keinen Erfolg, dann nicht verzagen. Am Morgen des nächsten Tages, wenn früh die Sonne aufgeht, kommt der Saugreflex bei Kälbern erneut. Dann lässt sich alles noch einmal versuchen. In fast 15 Jahren haben wir noch kein Kalb mit der Flasche aufgezogen, alle haben am Euter Milch gefunden.

•    Wenn die Kuh das Kalb nicht annimmt, vielleicht in der Prägephase gestört wird, dann hilft, wie oben, die Kuh zu fixieren. Bauchgurt (Strick in der Beuge der Hinderhand, vor dem Euter über den Rücken binden. So straff ziehen, dass die Kuh gerade noch ruhig stehen bleibt.) ist dann unbedingt notwendig, denn die Kuh wird das Kalb mit der Hinterhand vom Euter weg schlagen.  Das Kalb an das Euter setzen und saugen lassen. Durch imitiertes „Kuhschnurren“ Kuh und Kalb besänftigen. Milch abmelken und Analbereich mit Milch einreiben. Der Kuh die Möglichkeit geben, Milchgeruch aufzunehmen. Vielleicht fängt sie schon an zu lecken, denn die Milch schmeckt auch für Kühe süß (Gute Erinnerungen an schöne Kälberzeit wird geweckt). Wenn das Kalb selber saugt, die Kuh etwas lockerer binden und ihr ermöglichen Analkontakt zum Kalb aufzunehmen.  Durch „Kuhschnurren“  oder gleichmäßiges tiefes Reden Kuh und Kalb beruhigen. Führt dies alles nicht gleich zum Erfolg, bitte nicht gleich aufgeben. Durch das erste Saugen des Kalbes wird meisten das Abgehen der Nachgeburt ausgelöst, wenn sie nicht schon abgegangen ist. Auch wird der Geburtsschmerz der Kühe gelindert. Ein paar Stunden später wird man beobachten können, wie die Kuh mit dem Kalb zu reden beginnt („Kuhschnurren“). Bei dem schwersten Fall einer missglücken Prägung hat es bei uns drei Tage gedauert, bis die Kuh das Kalb angenommen hat. Es sind auch genau die drei Tage besonders hoher Aggressivität bei Kühen zum Schutz der Kälber außerhalb des Herdenverbandes. Der Hormonhaushalt spielt sich nach einigen Tagen wieder ein und die Kuh ist wieder umgänglich, wie gewohnt. Von sehr  unruhigen und aggressiven Kühen sollte man sich aber durch Selektion trennen, denn Sicherheit geht nun einmal vor.


•    Wenn das Kalb saugt und die Kuh ihr Kalb führt, ist das Gröbste überstanden. Nun gilt es die Eutergesundheit zu kontrollieren. Bei stark entzündeten Eutervierteln muss gehandelt werden und eine Behandlung durchgeführt werden. Werden jedoch einige Zitzen in den ersten Tagen nicht betrunken und die Viertel sind prall gefüllt, entzünden sich aber nicht, so besteht keine Gefahr. Das Kalb wird sie später bei Bedarf ansaugen. Eine gute Mutterkuh kann sich flexibel auf den steigenden Milchbedarf der Kälber einstellen. Die Milchleistung der Kühe lässt sich über das Wachstum der Kälber kontrollieren. Eine Kälberzufütterung mit Kraftfutter kann hier die Ergebnisse verfälschen und den Blick für die Milchleistung der Kuh verstellen. Denn Kälbern sollte aber von Beginn an die Möglichkeit des freien Wassertrinkens und der Aufnahme von gutem Raufutter eingeräumt werden.

Bei jeder schwierigen Geburt und schweren Start ins Leben sollte alles genau dokumentiert werden, damit sich nicht die schwierigen Lebensstarts für Kälber häufen. Menschliche Hilfe ist in schwierigen Situationen notwendig. Dennoch sollten diese erfolgreichen Hilfestellungen nicht als Zuchterfolge angesehen werden, sondern daran erinnern, dass durch gute und konsequente Selektion und Zucht es immer weniger Kälber sind und bleiben, die für ihren Start ins Leben menschliche Hilfe nötig haben. Und wie schon gesagt, nicht nur Menschen lernen, sondern auch Kühe.  Schwierigkeiten beim ersten Kalb können später überwunden sein.

Andreas Bechler

Schmerkendorf, den 13.12.2005

Artikel wurde im Highland Cattle Journal 2006 veröffentlicht. http://www.highland.de

Highlandkuh mit weißen Bullkalb / Gotsgarten